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Das Spiel ist eröffnet – West gegen Ost
Früher – das war die Zeit, als der Westen die Innovationen vorgab und Asien als verlängerte Werkbank billig produzierte. Als die westliche Welt sich der Freundschaft der USA und ihrer Eigenschaft als Weltpolizei gewiss war. Als Mauern fielen und die Globalisierung Wirtschaftskraft für alle versprach. Als sich Handelsgrenzen öffneten und das Internet unbegrenzte Möglichkeiten schuf.
Heute hingegen verschiebt sich gerade unsere gewohnte Ordnung wie die tektonischen Platten der Erde. Der amerikanische Präsident Trump kündigt internationale Verträge und beschwört Handelskonflikte herauf. Grossbritannien möchte wieder eine Insel sein, und Populisten zeigen die Grenzen unserer Demokratie auf. Im Windschatten des «Mit-sich-selbst-beschäftigt-Seins» des Westens entwickelt Asien eine ungeheure Wirtschaftsdynamik. China ist seit 2010 die grösste Handelsmacht und seit 2012 die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt. Mit ehrgeizigen und gigantischen Investitionen wie z.B. der Neuen Seidenstrasse schmiedet es neue strategische Allianzen. Ist dies das Ende des amerikanischen Zeitalters und der Beginn eines grossen asiatischen Jahrhunderts?
Auf das europäische Zeitalter (Frühe Neuzeit) und die Ära der Amerikanisierung folgt im 21. Jahrhundert nun das asiatische Zeitalter. Das bestätigen Experten von Karl Pilny bis Parag Khanna. Was können die Asiaten, was wir nicht können?
Denken wir an Asien, kommt uns zuallererst China in den Sinn. Aber der gesamte asiatische Raum erstreckt sich von der Arabischen Halbinsel und der Türkei im Westen über Japan und Neuseeland im Osten bis hin zu Russland im Norden und Australien im Süden. Oder anders gesagt: Dreieinhalb von fast fünf Milliarden Menschen in Asien sind keine Chinesen.
Die asiatischen Länder sind durch Handels-, Finanz- und Infrastrukturnetzwerke miteinander verbunden und tragen rund 50 Prozent zum globalen Bruttoinlandsprodukt bei. Das sind fast zwei Drittel vom weltweiten Wirtschaftswachstum. Konkret bedeutet das: Zwischen 2015 und 2030 wird von den 30 Mia. USD des globalen Wachstums aus dem Mittelstandskonsum nur 1 Mia. USD aus den heutigen westlichen Volkswirtschaft en erwartet.
ASIEN IST ASIEN IST ASIEN IST ASIEN IST …?
Keineswegs, denn mal abgesehen von den geopolitischen Zugehörigkeiten unterscheiden sich die einzelnen Staaten hinsichtlich ihrer Werte beträchtlich. Parag Khanna, der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler, Publizist und Gründer von «FutureMap», betont immer wieder, wie unterschiedlich die einzelnen Regionen in den Bereichen Technologie, Politik, Marktwirtschaft, Freiheit und Gesellschaft arbeiten.
ASIEN – VORSPRUNG DURCH TECHNIK
Asien ist die Plattform, auf der Technologiegeschichte geschrieben wird: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Japan innerhalb von 20 Jahren zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht der Welt. «Tiger-Ökonomien» wie Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur liessen sich davon inspirieren. Jahrzehnte und Reformen später nahm sich das Reich der Mitte ein Beispiel an Japan und lernte von Amerikas Technologie- Innovation. Heute ist China die Inspirationsquelle für technologischen und sogar umweltfreundlichen Fortschritt, wie am Beispiel Elektromobilität zu sehen ist. Schon jetzt verfügt China über 50 Prozent der weltweiten Ladestationen und 75 Prozent der Lithium-Ionen-Akkus. 2018 hat die Zahl der zugelassenen E-Fahrzeuge weltweit die Zwei-Millionen-Marke überschritten, die Volksrepublik hat daran einen Anteil von 60 Prozent. 300 Mia. USD wollen die knapp 30 grössten Automobilhersteller in den nächsten Jahren investieren, auch das eine Folge von Chinas vorgeschriebenen Zulassungsquoten für E-Cars.
ZUHAUSE IN DER DIGITALEN WELT
Von den ungefähr 1.4 Milliarden ChinesInnen nutzen 800 Millionen regelmässig das Internet. Baidu, Alibaba, Tencent sind die chinesischen Pendants zu Google, Amazon und Facebook. WeChat ist nicht einfach nur eine Art chinesisches WhatsApp, sondern eine App für nahezu alles: Soziales Netzwerk, E-Commerce, Taxi, Essen, Chatten, Bezahlen. Künstliche Intelligenz kommt in jeder Lebenslage zum Einsatz. In den nächsten drei Jahren werden 35 Prozent der gesamten Forschungsmittel für Künstliche Intelligenz aus China kommen. PricewaterhouseCoopers prognostizierte kürzlich sogar, dass der Einsatz von KI bis 2030 15.7 Bio. USD zum globalen BIP beitragen wird. Allein China ist mit 7 Bio. USD dabei und lässt damit den nordamerikanischen Anteil von 3.7 Bio. USD ziemlich blass wirken. Kein Wunder, dass China auch das Land der Digital Natives ist.
CHINAS MILLENNIALS ÜBERHOLEN DIE USA
Unter 30, gehobener Mittelstand, gut ausgebildet, gut verdienend, technikaffin – Millennials sind heiss umworbene Arbeitskräfte. Die beliebteste aller Zielgruppen ist in China so gross wie die Bevölkerung der gesamten USA. Und: Sie werden im Vergleich zu den US-Millennials reicher als ihre Eltern sein. Die enorme Kaufkraft in Kombination mit Technikbegeisterung beflügelt den Konsum und die Innovationskraft.
Die Begeisterung über Chinas Entwicklung wird natürlich von der Steuerung durch das Einparteiensystem getrübt. Zensur, Bespitzelung und Propaganda herrschen online wie offline. Beispielhaft dafür steht das bis 2020 kommende Sozialpunktesystem, das ChinesInnen je nach Linientreue in gute oder schlechte BürgerInnen einteilt – Belohnung und Bestrafung inklusive.
Der Aufstieg Asiens ist da. Vielleicht sollten wir uns von den alten Freund-Feind- Schemata verabschieden, wach bleiben und in einer multipolaren Welt ankommen.
GLOBALANCE FOOTPRINT
Auch die Zukunft unseres Planeten hängt von Asien ab. Die Region Asien-Pazifik ist für 50 Prozent der weltweiten CO2- Emissionen verantwortlich. Nordamerika und Europa bringen es auf 37 Prozent, der Rest der Welt auf 13 Prozent. Die Zahlen für weitere kritische Umweltfaktoren sehen ähnlich aus. Deshalb ist es so wichtig, dass China und Indien dem Pariser Klimaabkommen 2015 zum Durchbruch verhalfen. Problematisch ist dagegen, dass die Rahmenbedingungen für verantwortungsvolles Wirtschaft en in Ost und West schlechter werden: Der neueste Korruptionsbericht von Transparency International zeigt, dass die USA zurückfallen, auch in Europa das Vertrauen in die Institutionen schwindet und die Region Asien-Pazifik weiterhin gegenüber dem Westen zurückliegt.
ZUKUNFTBEWEGER
Das breit angelegte chinesische Regierungsprogramm «Made in China 2025» kann man getrost als «Zukunftbeweger 2025» bezeichnen: China setzt alles daran, zukunftsweisende Sektoren zu fördern und die Expertise in Hightechbranchen laufend auszubauen. Megatrendthemen wie Robotertechnik, Luft – und Raumfahrt, neue Werkstoffe, elektrische Mobilität, Biopharmaka und Erneuerbare Energien stehen ganz oben auf der Liste. Das Land bedient sich gekonnt seiner Planwirtschaft und Finanzkraft, um international führende Unternehmen aufzubauen, die es mit den westlichen Technologiegiganten aufnehmen können. Auch wenn es dem Westen nicht gefallen mag, die Zukunftbeweger des Ostens sind auf dem Vormarsch.